Diesel-Debatte verschweigt viele Fakten

 

In der ideologisch geführten Debatte um den Diesel werden viele Fakten verschwiegen. Dazu gehört die schlechte Öko-Bilanz von Elektroautos ebenso wie Messstellen, die nicht selten so aufgestellt sind, dass möglichst schlechte Werte herauskommen.

Eine Kolumne von Sylvia Pantel.

 

Mehr als 100 Jahre nach seiner Geburtsstunde ist der Dieselmotor wieder in aller Munde. Galt er noch bis in die 1990er-Jahre als sparsam, zuverlässig und umweltfreundlich, wird dem Diesel nun als vermeintlichem Umweltsünder die Hauptverantwortung für die schlechte Luftqualität in einigen deutschen Innenstädten aufgebürdet.

Den vorläufigen Höhepunkt der aus meiner Sicht nicht ideologiefrei geführten Debatte bildete Ende Februar das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, nach dem in Städten, in denen die Luftqualitätsgrenzwerte nicht eingehalten werden, temporäre Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge und Strecken verhängt werden können. Das Gericht wies damit die Revision der Städte Düsseldorf und Stuttgart gegen die von den örtlichen Verwaltungsgerichten geforderten Fahrverbote zurück. Den Widerstand, der sich in weiten Teilen der Bevölkerung gegen diese Gerichtsentscheidung regt, teile ich. Auch haben sich alle Fraktionen des nordrhein-westfälischen Landtags gegen Fahrverbote für bestimmte Diesel-Fahrzeuge und Strecken in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen.

Es steht außer Frage, dass alle Verantwortlichen die Luftqualität in deutschen Städten verbessern wollen. Dafür müssen die Kommunen unterstützt werden, die Emissionsgrenzwerte im Rahmen ihrer Luftreinhaltepläne mit anderen Maßnahmen als mit Fahrverboten für bestimmte Dieselfahrzeuge und Strecken einzuhalten. Der sogenannte Abgasskandal hat sowohl die Bevölkerung als auch die Politik in Aufruhr versetzt. Reiner Aktionismus ist dabei als Reaktion absolut nicht zielführend. Was wir stattdessen brauchen, sind eingehende Untersuchungen mit eindeutigen, belastbaren Ergebnissen und Forschungen.

Auswirkungen von Fahrverboten nicht bewiesen

Auch ist gar nicht bewiesen, ob Streckenfahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge überhaupt geeignet sind, die Luftqualität in unseren Städten entscheidend zu verbessern. Mit Sicherheit zu erwarten aber wären negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Autoindustrie und der betroffenen Kommunen. Die Verkehrsinfrastruktur unseres Landes ist schließlich einer unserer bedeutendsten Standortfaktoren. Das Funktionieren unserer arbeitsteiligen Gesellschaft, das Wirtschaftswachstum, unser Wohlstand und unsere Lebensqualität sind unmittelbar mit einem hohen Grad an Mobilität verbunden.

Zielführender sind Maßnahmen, die den Verkehr fließend halten und stadtentwicklungspolitische Ansätze, die den Zuzugssog in die städtischen Ballungszentren reduzieren. Es macht doch keinen Sinn, Autofahrer nun auch noch Umwege fahren zu lassen. Zumal der Autoverkehr mitnichten der alleinige Verursacher der Überschreitung von Grenzwerten in einigen deutschen Städten ist. Auch der Flug- und der Schiffsverkehr sowie der Bahnverkehr von Dieselfahrzeugen tragen erheblich zur Luftverschmutzung bei. Hier müssen ebenfalls Maßnahmen ergriffen werden.

Käufer von Dieselfahrzeugen haben sich darauf verlassen, dass sie ihr Fahrzeug uneingeschränkt nutzen können, auch wurde beim Diesel sogar von einer guten Ökobilanz gesprochen, was ich bei Betrachtung aller Fakten auch heute noch tun würde. Viele Menschen sind auf ihr Auto angewiesen und nutzen es täglich, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. Für sie ist das Auto eine Existenzgrundlage, sie pendeln täglich – meist ohne Alternative – in die Innenstädte. In Düsseldorf pendeln alleine rund 295.000 Menschen jeden Tag ein und aus. Auch Güter müssen von A nach B transportiert werden. Für kleine und mittlere Unternehmen wären streckenweise Fahrverbote mitunter existenzgefährdend.

Elektroautos wenig geeignet

Auch ist die Klimabilanz des Elektroautos sehr umstritten. Abgesehen von den Problemen der hohen Anschaffungskosten, der geringen Haltbarkeit der Batterien, den späteren Entsorgungsproblemen und der langen Dauer des Aufladeprozesses weisen Studien, unter anderem des schwedischen Umweltministeriums, auf eine eher schlechte Umwelt-Bilanz von Elektrofahrzeugen hin. Der Bau eines Elektroautos, insbesondere die Produktion der für die Autos lebenswichtigen Lithium-Ionen-Batterien, geht demnach mit enormen CO2-Emissionen einher.

Untersuchungen haben gezeigt, dass bei der Produktion pro Kilowattstunde (kWh) Lagerungskapazität der Autobatterien rund 150 bis 200 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalente entstehen. Mit einem herkömmlichen Verbrennungsmotor könnte acht Jahre lang gefahren werden, bevor er die Umwelt so stark belastet hat wie etwa die Akku-Produktion für ein Tesla Model S. Aufgrund der teilweise kontroversen Ergebnisse verschiedener Studien wäre es aus meiner Sicht zielführender, in die Forschung zu investieren, anstatt durch staatliche Subventionierung Kaufanreize nur für Elektrofahrzeuge zu setzen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Elektroauto jedenfalls keine echte Alternative zum Verbrennungsmotor.

Abgesehen davon, dass das Elektroauto bislang nur begrenzt für den täglichen Einsatz geeignet ist, gibt es eben auch hinsichtlich seiner Umwelt-Bilanz keine eindeutigen und belastbaren Daten. So lange diese nicht vorliegen, halte ich eine Begünstigung von Elektroautos für zu früh. Wir brauchen eine Klimastrategie, die nicht ideologisch motiviert, sondern vernunftgeleitet ist, alle Faktoren prüft und dann eine Bilanz zieht.

Alle Verursacher müssen berücksichtigt werden

Was wir brauchen, sind sinnvolle und wirksame Maßnahmen zur Luftreinhaltung, die alle Verursacher berücksichtigen. Das von der Bundesregierung ergriffene Sofortprogramm „Saubere Luft 2017 bis 2020″ mit dem Ziel, die europäischen Grenzwerte zu Stickoxiden (NOx) und Feinstaub in deutschen Städten einzuhalten – und das ganz ohne Fahrverbote – ist ein guter Anfang. Für die Förderung der im Programm vereinbarten Maßnahmen stehen insgesamt Mittel in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro bereit, 750 Millionen davon kommen vom Bund. Die Fördergelder sollen unter anderem für den Umbau von Diesel-Bussen im öffentlichen Nahverkehr sowie von Taxi- und Mietwagenflotten, die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs insgesamt, die Optimierung der innerstädtischen Verkehrsströme und den Ausbau des öffentlichen Ladesäulen-Netzes genutzt werden.

Wir wollen insbesondere die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr an der Quelle weiter reduzieren. Dazu gehören – soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar – technische Verbesserungen von Fahrzeugen im Bestand. Der Bund muss die Kommunen unterstützen und gemeinsam mit der Industrie die Hardware-Nachrüstung älterer Diesel vorantreiben, und zwar weder auf Kosten der Dieselbesitzer noch zu Lasten der Steuerzahler. Stattdessen müssen die Verantwortlichen, die Automobilindustrie und die Hersteller, nun in die Pflicht genommen werden.

Schadstoffbelastung zurückgegangen

Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) zufolge ist die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid (NO2) in Deutschland 2017 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Die EU-Richtlinie legt einen Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) im Jahresmittel fest, der seit 2010 einzuhalten ist. Die Zahl der Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen nahm nach erster Schätzung von 90 auf 70 ab. An rund 46 Prozent der verkehrsnahen Messstationen wurde der Grenzwert von 40 µg/m³ im Jahresmittel überschritten.

Neben dem Straßenverkehr verursachen auch Landwirtschaft, Industrie, Schifffahrt oder Kraft- und Fernheizwerke Emissionen. Im Gegensatz zum Straßenverkehr, bei dem diese direkt an der Quelle messbar sind, sieht das im industriellen Bereich oder bei Kraftwerken, die ihre Emissionen über Schornsteine ausstoßen, anders aus.

500 Messstationen in Deutschland

Derzeit wird das NO2 in Deutschland an etwa 500 Stationen gemessen. Für die Lage und Zahl der Messstationen sowie die anzuwendenden Verfahren gibt es klare gesetzliche Vorgaben, die europaweit gelten. Die Überwachung und Bewertung nach einheitlichen Vorgaben ist eine Grundvoraussetzung, um vergleichbare Daten zur Luftqualität zu erhalten. Die rechtliche Grundlage dafür ist eine EU-Luftqualitätsrichtlinie, die mit einer Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz in deutsches Recht überführt worden ist. Die Verantwortung für die Überwachung der Luftqualität gemäß der Vorgaben obliegt den zuständigen Behörden der Länder.

Die EU-Verordnung macht außerdem klare Angaben zur Aufstellung der Messstationen. Diese betreffen insbesondere den Abstand zur nächstgelegenen Kreuzung, zum Fahrbahnrand, zu Gebäuden und auch zur Höhe der so genannten Messeinlassöffnung, an der die zu untersuchende Luft angesaugt wird. Demnach soll eine verkehrsnahe Messstation nicht weiter als zehn Meter vom Fahrbandrand und mindestens 25 Meter entfernt von einer verkehrsreichen Kreuzung aufgestellt werden.

Standorte müssen überprüft werden

Ein Blick auf die in deutschen Städten aufgestellten Messstationen zeigt jedoch, dass viele Messungen direkt am Fahrbahnrand vorgenommen werden. Es ist doch naheliegend, dass an diesen Punkten deutlich schlechtere Werte ermittelt werden, als zehn Meter entfernt vom Fahrbahnrand, wie es laut der EU-Verordnung auch zulässig wäre.

Wenn wir vergleichbare und aussagekräftige Werte ermitteln wollen, dürfen wir Luftproben nicht direkt am Straßenrand entnehmen und damit Grenzwertüberschreitungen und damit wiederum Fahrverbote provozieren. Das Argument, es handle sich bei einigen der direkt am Fahrbahnrand aufgestellten Messstationen um solche, die bereits vor der aktuell gültigen Rechtsprechung aufgestellt wurden und man wolle die Fortführung der Messreihe nicht durch eine Versetzung der Anlagen gefährden, ist aus meiner Sicht ein Schlag ins Gesicht der betroffenen Autofahrer.

Auch wenn diese Messungen rein rechtlich zulässig sind, sollten wir nicht die schlechtmöglichsten Werte erheben, während in anderen europäischen Ländern die zulässige Entfernung vom Fahrbahnrand voll ausgenutzt wird und die ermittelten Werte damit unbedenklich sind. Von Vergleichbarkeit der Ergebnisse kann hier also nicht mehr gesprochen werden. Wir müssen daher sämtliche Standorte von Messstationen sowie die Sinnhaftigkeit festgelegter Grenzwerte prüfen, um eine einheitliche Umsetzung zu gewährleisten.